Mit einem Vollen Haus (Full House) starteten am 5. Februar 2015 die sechzehnten Hybrid Talks zum Thema »Spiele«. In spannenden Beiträgen erläuterten fünf Vortragende aus Wissenschaft und Wirtschaft, wie Spielkonzepte, spieltypische Elemente und Game-Design z.B. in der Produktentwicklung, in Lernprozessen oder im Management gewinnbringend eingebunden werden können.
Stephan Porombka, Professor für Texttheorie und Textgestaltung (UdK Berlin) stellte in seinem Vortrag die spieltheoretisch inspirierte Methode des Amazooming vor. Dieses Prinzip nutzt die automatisierte Titel-Empfehlung des wohl bekanntesten Online-Versandhändlers als Navigationselement:
Wie gelangt man zum Beispiel in fünf Schritten und 90 Sekunden von James Joyce' Ulysses zu Thomas Manns Zauberberg? Wie viele Titel liegen zwischen Start- und Zielvorgabe? Wie lassen sich die Netzwerke zwischen Titeln erkunden, wenn Kultur als ein Netzwerk der Artefakte verstanden wird? Welches Wissen generieren ForscherInnen auf der Grundlage von Konsumnetzwerken und Methoden des Zalandooming oder Spotizooming? Eine spannende Perspektive, die nicht zuletzt aufgrund ihrer literatur- sowie kulturtheoretischen Feinsinnigkeit auch im Anschluss an die Talks Gesprächsstoff bot.
Holger Prang, Medientechnologe an der TU Berlin bot in seiner Funktion als Interaktionsdesigner einen Einblick, wie spieltypische Elemente methodologisch im Bereich der Stadtentwicklung fruchtbar gemacht werden können: Mit Urban Gallery präsentierte er ein datenbankbasiertes Wissens- und Erfahrungsmanagement-Tool, das in Workshops mit Partnern und Akteuren der Stadt Berlin bereits erfolgreich angewendet wurde. »Das Ergebnis ist immer ein anderes«, so Prang. Urban Gallery verbindet digitale mit analogen Strategien und ermöglicht somit den eingebundenen Akteuren einen interaktiven Wissenstransfer. Abschließend gab Prang einen Ausblick auf die sogenannte BrainBox, ein raumbasiertes Tool zur Echtzeit-Modellierung, das der Erforschung und Simulation von Stadtsystemen sowie der Auswertung von Entscheidungsprozessen dient.
Thomas Bedenk, Geschäftsführer bei Brightside Games, widmete seinen Vortrag Fragestellungen der visuellen, auditiven und haptischen Präsenz und Optimierungsmöglichkeiten im Bereich der Virtual sowie Augmented Reality. Wie können passende Erfahrungen in diesen virtuellen Räumen geschaffen werden, die über technische Entwicklungen hinausgehen, um einen Mehrwert für User zu schaffen? Wie können Modelle generiert werden, die genauer und praktischer in der Anwendung sind? »Wir müssen schauen wie wir die Experiences passend zu unseren technischen Möglichkeiten machen«, so Bedenk, der seinen Vortrag durch aufschlussreiche und aktuelle Beispiele aus der Games-Industrie illustrierte.
Prof. Rolf Möhring, vom Institut für Mathematik (TU Berlin), erläuterte anhand des Beispiels von Straßenverkehr die Entstehung von Diskrepanzen zwischen gesamtgesellschaftlichem und individuellem Optimum. An der Schnittstelle von Mathematik, Informatik und Ökonomie legte Prof. Möhring unter Rückgriff auf Konzepte wie das Nash-Equilibrium dar, wie diese Diskrepanzen im Rahmen von spieltheoretischen Konzepten modelliert und Lösungsansätze erarbeitet werden können. So stünden zum Beispiel für nicht-kooperative Spielszenarien mit egoistisch geprägten Spielern, die im Wettstreit um knappe Ressourcen stünden, Strategien des Mechanism Design zur Verfügung. Mit einem Ausblick auf Möglichkeiten und Auswirkungen einer solchen Regulierung im Sinn einer Reverse Game Theory schloss Prof. Möhring den Vortrag mit einer spieltheoretisch geprägten Perspektive auf aktuelle Debatten um Mautsysteme.
Christian Huberts, Kultur- und Medienwissenschaftler an der Hochschule der digitalen Gesellschaft vollzog unter Bezugnahme historischer Vorläufer eine unterhaltsam illustrierte Engführung aktueller Spielentwicklungen mit Optimierungstendenzen. Die technischen Möglichkeiten und Voraussetzungen von Computern würden zwar durch spielbasierte Elemente voll ausgeschöpft und könnten in dieser Weise Entwicklungspotenziale aufzeigen, in der Umsetzung bestünden jedoch im Rahmen der Gamification auch Alternativen zu reinen Optimierungsbestrebungen: »Bin ich als Mensch gut – optimiert, gut konfiguriert?« Exemplarisch entwarf Huberts, wie diese Fragestellung von Spielentwicklern durchbrochen, kreativ umgewandelt, hinterfragt sowie im Sinn von Gamification in den Alltag übertragen werden können: mittels differenzierteren Spielmechanismen, die »kein Spiel«, Spiele ad absurdum, und eine Abkehr von handlungs- und intentionsbasierter Spielumgebung zum Ausdruck und das Scheitern als zentrales Element ins Spiel bringen und so zur Förderung kreativer Prozesse beitragen können.
- Larissa
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