Roundup: Hybrid Performance

Das interdisziplinäre Performance-Kollektiv REPLICA nutzte im Herbst 2020 die Möglichkeit, um im Berlin Open Lab, einem gemeinsamen Labor der Universität der Künste und der Technischen Universität Berlin, an ihrem Forschungsprojekt zu arbeiten. Das daraus resultierende Ergebnis, die Performance Dancing at the Edge World, konnte aufgrund der derzeitigen Situation nicht vor Zuschauern vorgestellt werden und wurde per Kamera dokumentiert. Am 18. März wurde die Performance mit anschließendem Q&A als Livestream auf unserer Webseite präsentiert.

Ewelina Dobrzalski, Projektkoordinatorin der Hybrid Plattform und Diana Serbanescu, Mitbegründerin und künstlerische Direktorin von REPLICA, hießen das Publikum herzlich willkommen und Serbanescu stellte kurz vor mit welcher politischen und künstlerischen Motivation die Performance eingeübt würde. Das Integrieren von Künstlicher Intelligenz in die Gesellschaft sei häufig wie z.B. im Falle von Alexa sehr mechanisch und würde durch performatives und kulturelles Verständnis um einiges angenehmer zu bedienen sein. Genau diese experimentelle Verspieltheit hat REPLICA versucht in ihrer Performance zu visualisieren und laut Serbanescu ist man am empfänglichsten dafür, wenn man seinen Assoziationen freien Lauf und sich selbst von der Musik treiben lässt. Eine immersive Erfahrung, die sich während einer physischen Veranstaltung natürlich noch einmal anders hätte entfalten können, wird dabei erreicht, wenn man sich ein gutes Paar Kopfhörer aufsetzt, um die akribische Arbeit des Sound Design Teams bestmöglich zu verstehen.

Im Film wurde zunächst gezeigt, wie die Tänzer mit diversen Kabeln, Steckern und Tapes zu einem Hybrid aus Mensch und Maschine verwandelt wurden. Nach einem Intro in dem die erste synthetische Spracherzeugung aus Archivmaterialien gezeigt wurde, gab das nächste Kapitel mit dem Titel »A synthetic voice for the body. Calibration and training.« den Startschuss für die Performance, deren synthetische Klänge uns Zuschauer schnell in ihren Bann zog.
Komplett in schwarz gekleidet bewegten sich die Protagonisten mal entschlossen und schnell, dann wieder langsam und elegant in einem blau beleuchteten Raum umher. Immer wieder wurden die Bewegungsdaten aus der Performance in Form von Graphen, über die Bildebene der Tänzer gelegt, wodurch man beides gleichzeitig beobachten konnte.

Aus unverständlichen Lauten wurden im Laufe der Performance Sätze mit zunehmender Komplexität und alle Charaktere entwickelten sich auf ihre individuelle Art und Weise weiter. Als Zuschauer kam teilweise das Gefühl auf, der Beobachter eines Rituals zu sein, was an die wissenschaftliche Grundlage Serbanescus erinnerte, die sie im Theaterwissenschaftler Grotowski sowie im Ansatz von Donna Harraway angesiedelt sieht.  Zwischendurch eingeblendete Zitate wie

Rituals are performative artefacts that allow the practitioner to embark upon a journey towards the beginning of a song, which allows the discovery of the “first singer within one’s own body” - Lisa Wolford Wylam

bildeten dabei einen interpretativen Leitfaden, welcher half, die Performance, die man weniger beschreiben als viel mehr erleben kann und sollte, zu verstehen.

Im Anschluss fanden sich die Protagonisten in einem Zoom-Call zusammen und wurden in verschiedenen Etappen von Serbanescu zur künstlerischen Umsetzung, dem technischen Prozess und zur persönlichen Interpretation befragt. Zuerst stellte die Dramaturgin und Tänzerin Kirsty May Hamilton das politische Potenzial einer Performance als wichtigstes Element heraus. Sie betonte ihre feministische Motivation in der Diskussion über Künstliche Intelligenz, da diese in einer patriarchalischen Welt entwickelt wird und diesen ungleichen Prozess auch unbewusst unterstützt.
Im Anschluss beleuchtete das Sound-Team von kling klang klong bestehend aus Lugh O’ Neill und Johannes Heilberger, sowie Mika Satomi, verantwortlich für die Computertechnologien am Körper der Tänzer und Meredith Thomas, der für die Einbindung der Künstlichen Intelligenz und Datenvisualisierung in der Performance zuständig war, ihre Herausforderungen im Stück. Die Tänzerin Kate Ryan erzählte uns in einer weiteren Runde von ihrer anfänglichen Zurückhaltung so eng mit Technik im Tanz zu arbeiten, der Transformation die sie im Laufe des Prozesses erlebt hat und am Ende die Technik als Teil ihrer selbst ansah.


Wir hätten wahrscheinlich noch sehr viel länger den spannenden Reflektionen des REPLICA-Kollektivs lauschen können und hoffen auf eine baldige Fortsetzung.

Aljoscha