Round up: Hybrid Talks 43 "Wissenschaft, Kunst und Aktivismus"

Nach längerer Zeit freuten wir uns Gäste im Hybrid Lab auf dem Campus Charlottenburg der Technischen Universität und der Universität der Künste empfangen zu dürfen. Prof. Dr. Christoph Gengnagel eröffnete die 43. Hybrid Talks zum Thema „Wissenschaft, Kunst und Aktivismus“.

Der erste Redner unserer 43. Hybrid Talks war der slowenische interdisziplinäre Künstler Prof. Janez Janša. In seinen künstlerischen Arbeiten verfolgt der Leiter des Masterstudiengangs „Solo/Dance/Authorship“ des Hochschulübergreifenden Zentrums Tanz Berlin einen Ansatz, der sich performativ sowie konzeptionell mit sozialen und politischen Spannungsfeldern auseinandersetzt. Janez Janša erläuterte anhend seinem amüsanten und zugleich politisch relevanten Projekt „NAME Readymade“ seinen performativen Aktivismus. Im Jahre 2007 trat er mit zwei anderen zeitgenössische Künstlern in Slovenien der konservativen Partei SDS bei. Noch im selben Jahr nahmen alle drei Künstler rechtmäßig den Namen des damaligen Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der Partei Janez Janša an. Sein politischer Aktivismus gegen den konservativen Ministerpräsidenten drückte sich in dieser Langzeitperformance aus und mündete in einer Wahlkampfkampagne der drei Janez Janša mit Plakaten im öffentlichen Raum und  Medienauftritten. Die Performancekünstler provozierten öffentliche Irritationen und lösten die Grenzen zwischen Politik und Kunst auf. 

Kristina Leko, Dozentin für Kunst im Kontext an der Universität der Künste Berlin, arbeitet als interdisziplinäre Künstlerin mit einem Fokus auf kritische räumliche und gesellschaftliche Interventionen und vertritt dabei einen partizpatorischen Ansatz. Ihre Kunstwerke, welche unter anderem mit Studierenden entstehen, vereinen Feldforschung und Kunstschaffen und beschäftigen sich häufig mit sozialen Problemen und marginalisierten Gruppen der Stadtgesellschaft. In ihrem Vortrag stellte sie uns exemplarisch Projekte vor, wie MISSING MONUMENTS (Graz, 2007/08) zu Monumenten für Personen der Migrations- und Arbeitergeschichte, die zuvor in der Stadtgeschichte unbekannt waren; FEMINISMUS VOR ORT (2021) in Berlin und Projekte zur Dekolonisierung des urbanen Raums. Anhand dieser kurzen Einblicke verdeutlichte Kristina Leko dem Publikum, dass sie Kunst als politisch versteht und ihre Aufgabe darin sieht, Gesellschaft durch sie zu verändern. 

Peter Ablinger, Komponist und Mitglied der Akademie der Künste Berlin, positionierte sich im Kontrast zu Kristina Leko und Janez Janša kritisch zu in seiner Wahrnehmung Politisierung der Künste in den vergangenen Jahren. Er ist der Ansicht, dass sich die heutige zeitgenössische Kunst überwiegend für gesellschaftliche und politische Themen einsetze. Er als Künstler fühle von Seiten der Wissenschaft wie auch Künsten einen Appell auf politisch brennende Probleme wie zum Beispiel die Klimakrise zu reagieren und zu handeln. Aber wie solle sich das in seinen Kompositionen gestalten? Hingegen zur bildenden und darstellenden Kunst sei die Musik weniger politisch, bzw. in ihrem Ausdruck vielleicht nicht dafür geeignet. Für sich selbst sehe er zudem das Problem, wie er als Komponist handeln sollte, wie er darin Erfolg haben sollte, wo die Wissenschaft und Politk scheitere. Deshalb solle nach Ablinger die Kunst in einen “Generalstreik“ treten, wenn sie das unmöglich zu spielende Stück der Klimakrise alleine bewältigen solle. 

Prof. Dr. Friedrich Steinle, Wissenschaftshistoriker an der Technischen Universität Berlin, war der letzte Sprecher unseres Abends und beleuchtete das Thema aus einer historischen Perspektive. In der Betrachtung von Wissenschaften und Aktivismus im 20. Jahrhunderts hätte es immer wieder Wissenschaftler*innen gegeben, die sich aktivistisch engagierten. Er verwies beispielsweise auf das Emergency Committee of Atomic Scientist, dass von bekannten Naturwissenschaftlern in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, um vor einer atomaren Aufrüstung zu warnen. In unserer Gegenwart sei aber ein neues Phänomen aufgetreten: seinen Beobachtungen nach beriefen sich akutelle Aktivist*innen zunehmend auf wissenschaftliche Erkenntnisse wie zum Beispiel während der Pandemie oder zum Thema Klimakrise. Dabei  müsste man sich bewusst machen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse von politischen Akteuren instrumentalisiert werden können, um bestimmte Ziele zu erreichen. Davon sei auch die Geschichtswissenschaft betroffen, was man unter anderem im Ukraine-Krieg beobachten kann, wie Geschichte von russischer Seite umgedeutet wird, um ihren Angriffskrieg auf die Ukraine zu legitimieren.

Nach einer anregenden Fragerunde, konnten sich Besucher*innen noch bei einem Getränk mit den Referent*innen austauschen.