Ab dem 09.11.2020 fand jeden Montag von 19:00 - 21:00 Uhr ein LIVE-Talk zu den Themen Musik, Natur, Wissenschaft und Geschichte statt. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe hat jeden Montag ein*e Vertreter*in der jeweiligen Disziplinen zu einem Thema gesprochen.
Musik und naturwissenschaftliche Phänomene sind auf vielfältige Weise miteinander verflochten. Musik lässt sich als akustische Erscheinung physikalisch erklären, als biologisches Phänomen lassen sich Parallelen zu Tierlauten und gemeinsame evolutionsbiologische Wurzeln beschreiben. Es ist daher nicht erstaunlich, dass auch die Wissenschaften von der Musik, der Physik und der Biologie immer wieder im Austausch miteinander standen und sich wechselseitig beeinflusst haben. Die Veranstaltungsreihe nimmt historische Knotenpunkte dieser interdisziplinären Verflechtungen in den Blick.
Ende des 19. Jahrhunderts finden sich solche Verstrickungen z.B. einschlägig im Rahmen der Forschungen des Physiologen und Physikers Hermann von Helmholtz, die wesentlich zur Ausdifferenzierung der Akustik und zu einer aus scheinbar natürlichen Gegebenheiten abgeleiteten Standardisierung von Tonsystemen beigetragen haben. Begriffe und Praktiken aus der Erforschung akustischer Phänomene werden wiederum von der Elektrodynamik seit 1800 adaptiert und finden um die vorletzte Jahrhundertwende ihren Niederschlag in der Entwicklung von Medientechnologien der Übertragung und Schallaufzeichnung. Auch zwischen Ornithologie und der sich ausbildenden Vergleichenden Musikwissenschaft lassen sich Wechselbeziehungen erkennen, wenn z.B. um 1900 evolutionsbiologische Fragestellungen mit Begründungen des Gegenstands der Musikwissenschaft verknüpft wurden.
All diesen Entwicklungen ist gemein, dass sie mit der institutionellen Ausdifferenzierung und Positionierung des Fachs Musikwissenschaft in der Universitätslandschaft eng verbunden sind. Derartige Prozesse des Austauschs sind aber keineswegs historisch abgeschlossen. Gegenwärtig haben einerseits biologische Phänomene sowohl manifest als Klänge als auch als Metaphern Einfluss auf die Kompositionspraxis und ihre Begründung. Andererseits wird die ästhetische Evidenz wissenschaftlicher Daten in den Naturwissenschaften diskutiert.
weitere Informationen: christina.doerfling@hfm-weimar.de
Programm:
- »Einführung«
Christina Dörfling | Susanne Heiter
09.11.2020 - »Hermann von Helmholtz und die Anfänge der Musikwissenschaft«
Julia Kursell | Musikwissenschaft, Universität Amsterdam
16.11.2020 - »Wie die moderne Wissenschaft im 19. Jahrhundert entstand. Zwischen Institutionalisierung und Öffentlichkeitsarbeit«
Mitchell Ash | Wissenschaftsgeschichte, Universität Wien
23.11.2020 - »Das elektroakustische Zeitalter: Elektro-analoge Technologien, Forschungspraktiken und Denkweisen«
Roland Wittje | Wissenschaftsgeschichte, Indian Institute of Technology Madras
30.11.2020 | 16:00 Uhr - »Symmetrien als ästhetisches Ziel physikalischer Forschung – mit Parallelen aus der Musik«
Olaf Müller | Wissenschaftstheorie, Humboldt-Universität Berlin
07.12.2020 - »Auditive Wissensproduktion: Erkenntnisgenerierende Hörtechniken und klangliche Darstellung in der Geschichte der Naturwissenschaften«
Axel Volmar | Medienwissenschaft, Universität Siegen
14.12.2020 - »Kultur bedarf der kulturellen Weitergabe – weitverbreitet auch bei Tieren. Selten beim Tier, aber oft beim Mensch, wird auch know-how kulturell weitergegeben«
Claudio Tennie | Verhaltensforschung und kognitive Archäologie, Eberhard Karls Universität Tübingen
04.01.2021 - »Unravelling the capacity for music«
Henkjan Honing | Music Cognition Group, Universität Amsterdam
11.01.2021 - »Acoustics Outside: Or, Environmental Recording Beyond Soundscape Composition«
Andrea Bohlman | Musikwissenschaft, University of North Carolina
18.01.2021 - »Von singenden Fledermäusen und Professoren: Über die Schulung der Sinne im bioakustischen Aufzeichnungsprozess«
Judith Willkomm | Medienwissenschaft, Universität Konstanz
25.01.2021 - »The Moth: Death, Sacrifice, and Silence in the Lives of Lepidoptera«
Rachel Mundy | Musikwissenschaft, Rutgers University in Newark, New York
01.02.2021 - »A method for the analysis of handmade electronic music: Steve Reich's Pulse Music (for Phase Shifting Pulse Gate), 1969«
Ezra Teboul | Electronic Arts, Rensselaer Polytechnic Institute, New York
08.02.2021 - »Historische Kontextualisierung der Digitalität und ihr möglicher Beitrag zur Formung alternativer Gemeinschaften«
Shintaro Miyazaki | Digitale Medien, Humboldt-Universität Berlin
15.02.2021 - »Schlussrunde«
Christina Dörfling | Susanne Heiter
22.02.2021
Detailierte Informationen und Abstracts zu den Talks entnehmen Sie dem Infoflyer.