OPENNEXT

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Auf der einen Seite Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, die unter strengen Geheimhaltungsstufen arbeiten. Auf der anderen Seite digitale Plattformen, auf denen Baupläne für Drohnen, Roboter oder astronomische Teleskope für jedermann weltweit frei zugänglich sind. Im Projekt »OPENNEXT« wird erforscht, wie der Open-Source-Gedanke auch in der Produktentwicklung von Hardware verankert werden kann. 

»OPENNEXT« ist ein Konsortium von 19 europäischen Partnern aus Wissenschaft (darunter auch die TU Berlin), Wirtschaft, von gemeinnützigen Organisationen, Plattformbetreibern und offenen Werkstätten, den Makerspaces.

In dem Projekt soll erforscht werden, wie der Open-Source-Ansatz in der Produktentwicklung von Hardware etabliert werden kann. Ziel ist es, in beispielhaft ausgesuchten Branchen wie der Möbelherstellung, der umweltfreundlichen Mobilität und der Konsumgüterelektronik neue Wege der Produktentwicklung zwischen KMUs und Start-ups auf der einen Seite und der Makerspace-Community und den Kunden auf der anderen Seite zu ermöglichen und alle miteinander zu vernetzen. Das alte Prinzip geschlossener Innovationsumgebungen soll hinter sich gelassen und ersetzt werden durch öffentliche Zugänglichkeit, Weiterentwicklung und -verbreitung von Herstellungsprozessen sowie Reparierbarkeit von Produkten. Damit verbunden ist ein ganz wesentlicher Grundgedanke von Open Source: Innovationen sollen mit dem Verschwinden eines Unternehmens nicht mehr verlorengehen. Aber auch teure Fehlentwicklungen können so vermieden werden.

In der ersten, nun abgeschlossenen Praxisphase von »OPENNEXT« ging es darum, mit sechs europaweit ausgewählten mittelständischen Firmen und Start-ups, die bereits Erfahrungen mit Open Source hatten, zu untersuchen, wie Open Source in diesen Unternehmen verstetigt werden, es sozusagen zu deren Firmen-DNA werden kann und zu analysieren, welche Infrastruktur dafür notwendig ist.

Ein Hamburger Lastenrad-Hersteller wurde durch »OPENNEXT« mit Open-Source-Akteuren wie Studierenden und einem Makerspace in der Nachbarschaft in Verbindung gebracht, zu denen es zuvor keinen derartigen Kontakt gab und die das Kleinunternehmen auch nicht ohne Weiteres angesprochen hätte. Ergebnis dieser durch »OPENNEXT« entstandenen Kontaktknüpfung war eine neue Produktidee: ein Lastenrad, das so multifunktional ist wie ein Schweizer Messer. Verschiedene Aufbauten ermöglichen verschiedene Funktionen, sodass aus einem normalen Lastenfahrrad ein spezielles wird. Mal ist es ein Food Bike, mal ein Medical Bike, eine mobile offene Werkstatt oder ein DJ-Bike. Diese funktionalen Module werden Open Source konstruiert und können je nach Bedürfnissen für andere Funktionen abgewandelt, umgebaut, weiterentwickelt werden.

»Wir beobachten, dass der Open-Source-Software-Gedanke, also dass Software frei zugänglich ist und von Dritten genutzt, verändert und weiterentwickelt werden kann, zunehmend auch in der Hardware-Entwicklung seine Anhängerschaft findet«, sagt Robert Mies, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Qualitätswissenschaft der TU Berlin in der TUintern im Gespräch mit Sybille Nitsche. »Gleichzeitig stellen wir fest, dass sich dieser Open-Source-Ansatz aus dem Software-Bereich nicht ohne Weiteres in die Hardware-Welt übertragen lässt, weil es mit dem Hinterlegen eines Codes auf einer offenen Plattform nicht getan ist.« Man brauche zum Beispiel einen Ort, wo etwas nachgebaut werden kann, Werkzeuge, Materialien und Menschen, die Konstruktionspläne lesen und Maschinen betätigen können sowie eine verständliche Dokumentation des gesamten Herstellungsprozesses, so Robert Mies.

Diese Unterschiede zwischen Open-Source-Software und Open-Source-Hardware waren die Initialzündung für das im EU-Rahmenprogramm Horizon2020 geförderte Projekt »OPENNEXT«, das am Fachgebiet Qualitätswissenschaft unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Roland Jochem koordiniert wird. Robert Mies ist Projektmanager zusammen mit Mehera Hassan, die zudem für die Forschung des Fachgebietes innerhalb des Projektes verantwortlich ist.

In der im Herbst 2021 gestarteten zweiten Phase geht es darum, zusammen mit zwölf KMUs, die aus eigenem Antrieb Open Source als neue Firmenstrategie bei sich einführen und damit profitabel arbeiten wollen, anhand einer konkreten Produktidee Konzepte zu erarbeiten, mit denen Open Source in ihren Unternehmen etabliert werden kann. »Wir von ‚OPENNEXT‘ verstehen uns als Katalysator«, so Robert Mies. »Der Forschungspart unseres Fachgebietes liegt dabei in der Bewertung von Unternehmen mit Hilfe eines Reifegradmodells. Das Modell erlaubt es, die Fähigkeiten der Unternehmen hinsichtlich ihrer Community-Zusammenarbeit im Zuge der Entwicklung von Open-Source-Hardware zu evaluieren und strategische Maßnahmen abzuleiten.«