Stille Post – whispers down the lane

An zwei Wochenenden im November haben Studierende aus ganz unterschiedlichen künstlerischen Fachrichtungen der UdK Berlin gemeinsam Stille Post gespielt. Für das Seminar unter der Leitung von Pauline Kraneis im Studium Generale stand das Hybrid Lab zur Verfügung.

Das Kinderspiel Stille Post, bei dem eine Aussage oder ein Wort von einem zum nächsten flüsternd weitergegeben wird aund sich auf dem Weg so verändert, dass man kaum noch den Ursprung erkennt, ist fast jedem bekannt. Wir haben aber nicht Stille Post mit Stimme und Wörtern gespielt, sondern mit Zeichnung und Skulptur.

Zu Beginn des Seminars wurde gemeinsam ein Aufbau erstellt, aus Möbeln, Stoffen, Kisten, Jalousien. Jeder Studierende hat sich diesem Aufbau aus unterschiedlichen Blickwinkeln genähert, Ausschnitte gewählt und gezeichnet. Neben Fragen der technischen Umsetzung und zeichnerischen Ausdrucksmöglichkeiten ging es vor allen Dingen darum zu sehen, das eigene Sehvermögen zu schärfen. Bis zum Ende des ersten Tages sind die unterschiedlichsten Zeichnungen entstanden. Die Ergebnisse wurden in der Gruppe besprochen, es wurden vor allen Dingen Fragen nach dem Raumbezug und zur Qualität von Linie gestellt und diskutiert.

Diese zwei Aspekte wurden am folgenden Tag vertieft. Alle Studierenden zogen eine Zeichnung, die sie nicht selbst gemacht hatten. Mit dieser als Ausgangspunkt sollten sie ein Objekt bauen. Die Zeichnungen wurden genau studiert. Was ist in dieser Zeichnung wichtig, was interessiert mich daran, und wie kann ich diesen Aspekt in ein räumliches Objekt übersetzen und weiterentwickeln? Hier ging es nicht um eine direkte Übersetzung von 2D in 3D, sondern darum, Möglichkeiten zu erkennen. Wie verhält sich die Skulptur zu dem Raum? Steht sie oder fliegt sie, ist sie leicht oder schwer, ist es ein Modell oder eine abgeschlossene Form? Wie verhält sich das Objekt zu der vorausgehenden Zeichnung?

Eine Woche später wurde die Stille Post weitergeführt. Die entstandenen Objekte wurden nun wieder weitergegeben und in einem abgedunkelten Raum mit Licht inszeniert und wieder gezeichnet. Die Arbeit mit Licht und Schatten eröffnete neue Möglichkeiten, die Objekte zu sehen und zu verstehen. Wie verzerrt oder verwandelt der Schatten die Form? Wie geht man überhaupt zeichnerisch mit Licht um, und eröffnet der Schatten einen weiteren Raum?

Auch im dem letzten Schritt wurden die neu entstandenen Zeichnungen noch einmal weitergegeben. Die Objekte, die daraus entwickelt werden sollten, waren aber jetzt nur mit Pappe und Papier umzusetzen. Die Einschränkung in der Materialauswahl schärfte noch einmal den Sinn für das Wesentliche. Durch die Materialbegrenzung fanden die TeilnehmerInnen in der Arbeit an den Objekten zu einer strengeren Formgebung.

Diese Metamorphose – von einer ersten Zeichnung zu einem spielerischen Objekt, weiter zu einer Zeichnung von Licht und Schatten und schließlich zu einem Objekt aus grauem und weißem Papier oder Pappe – wurde zum Abschluss des Workshops von der Gruppe ausführlich reflektiert und diskutiert. Die Verwandlungsprozesse waren oft erstaunlich und vielfältig. Die TeilnehmerInnen haben innerhalb von wenigen Tagen ein konzentrierteres Sehen entwickelt und immer wieder andere Blickwinkel eingenommen, diskutiert, Unbekanntes ausprobiert – und noch einmal neu gesehen.

– Sidsel, Tutorin und Teilnehmerin des Seminars