Gastaufenthalt im Programm »art, science & business« an der Akademie Schloss Solitude

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Die Hybrid Plattform unterhält seit mehreren Jahren eine Kooperation mit der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart, die als Stiftung des öffentlichen Rechts ein interdisziplinäres und internationales Stipendienprogramm für KünstlerInnen anbietet. Mit dem Programm »art, science & business« werden außerdem junge Menschen aus Wissenschaft und Wirtschaft in die Förderung aufgenommen. Die als Autorin und Kuratorin aktive Yvonne Zindel berichtet von ihren Erfahrungen:

»Die Gegenwart durchdringt die historischen Objekte des alltäglichen Lebens, die in ethnologischen Museen gezeigt werden: Aus materiellen Resten vergangener – und auch lebendiger – Kulturen entstehen durch die Prozesse der Digitalisierung zeitgenössische Bilder. Ich wollte die Zeit auf Schloß Solitude nutzen, um das (digitale) Bild als Kulturträger zu untersuchen, das durch die jeweiligen Produzenten als Repräsentations-und Bildungsmedium genutzt wird. Denn gerade die Inszenierungen von zeitgenössischen Bildern ethnologischer Objekte tragen sowohl ein Wissen um historische »Fakten« als auch die Möglichkeit der ungewollten Reproduktion von rassistischen und stereotypen Ideen des Subalternen oder Autonomen in sich. Sie bedeuten Positionierungen zu den Fragen, um die in der gegenwärtigen Debatte in - und außerhalb der ehemaligen Völkerkundemuseen nach der postkolonialen Kritik gerungen wird: zur Frage nach Besitzverhältnissen und Verfügungsgewalt über Objekte, die in der Kolonialzeit nach Europa kamen, und zur Frage der Repräsentation, der Definitionsmacht in Erzählungen über Kultur und Differenz. Zeitgenössische Bilder stellen in der Interaktion mit einem zeitgenössischen Außen Gesellschaft_en und Kultur_en her. Ebenso wird das Museum performativ hergestellt– und das Digitale Bild vermittelt in diesen Museen mit Namen wie »Weltkulturen Museum«, »Weltmuseum« oder »Museum Fünf Kontinente« eine Version von Welt, die nach wie vor »fremde« Kultur_en und Gesellschaft_en als Forschungsobjekte begreift und sich die Welt zu eigen macht. 
Teilweise habe ich während meines Schloßaufenthaltes die Zeit gefunden, schreibend diesen Fragestellungen nachzuspüren. Doch wenn ich gerade keine Vorträge und Versatzstücke meiner Dissertation ausgearbeitet habe, durfte ich den äußerst fruchtbaren Austausch mit den anderen Fellows und mit dem Team der Akademie genießen. So gab es Diskursveranstaltungen in der Plattform des Wimmelforschungs-Stipendiums und lecture performances, Lesungen, Ausstellungseröffnungen und gemeinsame Kochabende. 
Elke aus dem Moore sowie Charlotte Thieroff baten mich, ein Format zu entwickeln, um meine Forschung vorzustellen. Ich führte Anfang Dezember ein LUNCH MAGIC mit allen anwesenden Fellows und den Kurator*innen von Solitude durch. Die LUNCH MAGIC sind ein Open-Source-Format, das die Interaktionen am Mittagstisch verwandelt: Indem ein Mittagessen mit der Abfolge Suppe/Hauptgang/Beilage/Kaffee als Struktur genutzt wird, bekommt die Form der Interaktion zwischen den Teilnehmenden eine spielerische Note. Regeln, Regieanweisungen und gestaltete »Hardware« ermöglichen völlig neue Richtungen der Kommunikation untereinander. Man kann sich die LUNCH MAGIC vorstellen wie eine Mischung aus Lunch mit Freunden, denen man auf diese Weise noch nicht begegnet ist, einer prozessbegleitenden Methode mit effektivem Output und einer Schatztruhe voller tools, die man als Erfahrungen für den Alltag und weitere Workshops mit nach Hause nehmen kann. Allen Teilnehmer*innen machte das Format großen Spaß, meine Forschung wurde spielerisch und niedrigschwellig durch eigenes Handeln erfahren. 
Es haben sich durch das Stipendium Netzwerke ergeben, die noch nachwirken und sich auf die Forschungsarbeit auswirken. Ich würde jederzeit wieder aufs Schloß zurückkehren. Dankeschön für diese Gelegenheit!«

- Yvonne Zindel