Absoluter Konsens!

Mit Spannung und Neugierde erwarteten wir die dritte Ausgabe unserer Serie »Hybrid Encounters«. Ein populärer Literaturwissenschaftler traf auf einen ebenso bekannten DJ.

Stimmungen und Schwingungen sind ebenso vage wie direkt verständliche Begrifflichkeiten, die hier als Rahmenmarkierungen vorgegeben waren. Hans Ulrich Gumbrecht ist Experte für Stimmungen. Seine hermeneutische Strategie arbeitet mit diesem Begriff, um eine hoch affektive, subjektive Lesart bekannter Texte wissenschaftlich fruchtbar zu machen. In Maximilian Lenz aka Westbam, dem Experten der stimmungsvollen Massenbewegungen bei Love Parade und Mayday Festival erwartete der Wissenschaftler einen Gesprächspartner, der diesen emphatischen Zugang zu künstlerischen Phänomenen teilt.

Er hatte Recht - die Stimmung war gut. Westbam spielte ein kurzes DJ Set, in dem er in erster Linie die Zugänglichkeit seines Metiers genau wie die seiner Musik betonte. Gumbrecht, dieser impliziten Einladung folgend, stellte sich daraufhin kurzerhand selbst ans Pult und drehte vergnügt die Regler. Arm in Arm bewegten sich die beiden dann zum Dialog. Niemand im Saal hätte gedacht, dass sich diese alten Freunde in der Tat erst wenige Stunden zuvor zum ersten Mal begegnet sind. Synchronisiert sowohl durch Westbams Rhythmen wie durch Gumbrechts emphatischen Umgangston entwickelte sich auf der Bühne ein Gespräch wie beiläufig. Dass dabei nicht abstrakte Reflexionen oder tiefe Einblicke in fremde Subkulturen im Vordergrund standen, sondern direkt nachvollziehbare, lebensweltliche Befindlichkeiten ausgetauscht wurden, bediente das Thema des Abends perfekt. Das Publikum wurde zum mitschwingen aufgefordert - darin ist auch Gumbrecht, trotz Beteuerung der eigenen Rhythmuslosigkeit, Experte.

Und so konnte abseits konkreter Inhalte an diesem Abend besonders eines beobachtet werden: die auflösende Wirkung der Synchronisation. Gumbrecht und Westbam brachten sich gegenseitig auf eine Wellenlänge. "Absoluter Konsens!", so ließen beide gegen Ende verlauten, war die Devise für diesen Dialog. Politik und Dissens sind anstrengend - und wo dies überhandnimmt, wird die Kunst der Synchronisation spannend. Die Stimmung war gut, die Schwingungen locker und eingängig. Eins werden, einen mystischen Körper bilden - dieser Abend war kein Lehrstück in Technokultur oder kritischer, historischer Betrachtungen. Stattdessen vermochten die beiden Protagonisten gemeinsam etwas Wesentliches innerhalb der populären Kultur dieser Zeit zu demonstrieren: ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer notwendig vagen, sich rhythmisch realisierenden Form des Kollektivs. Die kleinste Keimzelle solcher Systeme scheint die Interaktion Zweier bilden zu können, deren Relation etwas auflöst, was zuvor problematisch war und nun als zweierlei verschieden Organisiertes vor uns steht.