Kunst, Biologie und Algorithmen

Im Konzertsaal der Universität der Künste verstummt das Publikum schlagartig, als um kurz nach 19 Uhr die ersten Klänge der »Arachnid Jam Session« ertönen. Der Raum ist dunkel, nur der offene Kasten, in dem sich drei Spinnen ganz langsam durch die gesponnenen Netze hangeln, und der Musiker selbst sind von einem hellen Spot beleuchtet. Eine kleine Kamera projiziert die Schwingungen, die durch David Rothenbergs Klarinette in den Netzen entstehen, an die große Leinwand hinter Tomás Saraceno und seine Gäste.

Nach dieser musikalischen Einführung in die zweiten »Hybrid Encounters. Kunst trifft Wissenschaft«, die diesmal unter dem Dreiklang von Kunst, Biologie und Algorithmen laufen, eröffnet Nina Horstmann von der Hybrid Plattform den Abend und begrüßt die Moderatorin und künstlerische Leitung der Schering Stiftung Christina Landbrecht, sowie die Gäste des Abends: Tomás Saraceno, Alex Jordan, Ingo Rechenberg und Benjamin Wild.  

Die vier Sprecher kommen aus den unterschiedlichsten Gebieten, befassen sich mit Biologie, mit Bionic, mit Kunst und dem Maschinellen Lernen, trotzdem liegt ihr Interesse auf einem gemeinsamen Thema: dem Studieren von Tieren.

Es ist also kaum verwunderlich, dass der argentinische Künstler Tomás Saraceno, als er als erster der Runde das Wort ergreift, die kleinsten Gäste auf der Bühne vorstellt: die drei Spinnen zu seiner Linken. Sie wurden im Vorfeld im Gebäude des Konzertsaals gesucht und gefunden, sind also als ein Teil der Universität der Künste zu verstehen. Zwei filigrane und hoch empfindliche Mikrofone, die ich bisher übersehen habe, ragen leicht in den quadratischen Bereich der Spinnen hinein. Die Geräusche, die die Spinnen mit ihren Bewegungen in den Netzen fabrizieren, sollen so ans Publikum übertragen werden. Tomás hofft, dass sich die Spinnen im Laufe des Gesprächs auf der Bühne zur Bewegung und damit zur Kommunikation angeregt fühlen.

Die Netze im Kasten, seien von drei verschiedenen Spinnen gewoben, so Saraceno. Die Reaktion von einer Spinne auf das Netz einer anderen Spinne, sei für ihn unglaublich spannend. Das Spinnennetzgebilde, welches entsteht, wenn mehr als eine Spinne zusammentreffen, ist Abbild der Interaktion der Spinnen untereinander. Er forschte über die Spinnenseide, über Vibration, sprach mit vielen Wissenschaftlern und Musikern; so traf er David Rothenberg und so fand Alex Jordan ihn.

Die Spezialisierung von Prof. Dr. Alex Jordans Arbeit liegt auf der Analyse davon, wie Tiere miteinander interagieren und sich dabei gegenseitig beeinflussen. Eben genau diese von Saraceno erhoffte Interaktion von Bühnengästen und Bühnenspinnen im Verlauf des Abends.

Jordan selbst meint: Wir kommen aus verschiedenen Bereichen, interessieren uns aber für dieselbe Frage: Wie sind die Dinge verbunden? Die vielen Unterhaltungen die Alex Jordan und Tomás Saraceno seit einger Zeit führen, seien meist ein bisschen seltsam und sehr eigen aber in jenen Momenten, in denen der Biologe realisiert, dass er bestimmte Dinge einfach noch nie aus Tomás Perspektive betrachtet hat, sehr bereichernd.

Eine verwandte Frage stellt sich auch Dr. Benjamin Wild vom Dahlem Center for Maschine Learning: Kann Technologie die Interaktion mit der Natur zu unterstützen? So hat er zusammen mit Prof. Dr. Tim Landgraf, der heute leider selbst nicht anwesend sein kann, unter anderem einen Roboter entwickelt, der den sogenannten Bienentanz imitieren und so mit echten Bienen interagieren kann.

Spricht man über Roboter und Tiere ist Prof. Dr. Ingo Rechenberg ein guter Ansprechpartner. In seinen Anfangsjahren an der Technischen Universität Berlin studierte er Flugzeugbau und beschäftigt sich nun seit vielen Jahren mit Spinnen. Vor zehn Jahren endeckte er »seine« Spinne in einer Wüste nahe der Sahara. Die Cebrennus Rechenbergi trägt nicht nur seinen Namen, sondern ist auch die Inspirationsquelle für den jüngst fertig gestellten Roboter »Tabbot«, der die rollende Bewegungsstratgie der Wüstenspinne imitiert. Eine Demonstration vom rollenden »Tabbot« bekommt das Publikum im Anschluss des Gesprächs.

Der Abend macht einen kleinen Schlenker über künstliche Intelligenz und versucht der Frage nachzugehen, ob es Technologie möglich machen könnte, so zu denken wie ein Tier. Aber wir Menschen, so ein oft vorkommender Wortlaut am Freitag, wir Menschen sind auch Tiere. Parallel zum Gespräch mit dem Publikum, kommt auch David Rothenberg zu Wort.

Viele Leute, hätten ihn vor der Jam Session gefragt, wie das gehen soll Musik mit einer Spinne zu machen. Das es geht bestätigt die abschließende Jam Session, bei der sich die zwei Spinnen aufgeweckter denn je durch die Netze bewegen.

Tomás Saraceno ist einer der Ersten, der herausgefunden hat, dass verschiedene Spezien miteinander interagieren können. Die Hybrid Encounters haben gezeigt, dass ein interdisziplnäres Gespräch zu einem Thema, viele Verknüpfungen aufzeigt, neue Gedankennetze aufspannt und auch Kunst und Wissenschaft einander bereichern.  

»Hybrid Encounters« ist eine von der Hybrid Plattform und der Schering Stiftung ins Leben gerufene Veranstaltungsreihe, die Kunst und Wissenschaft in den Dialog bringen und die Vorzüge einer Zusammenarbeit dieser zwei Disziplinen herausstellen soll.

Nach den hochkarätigen Gästen und interessanten Abenden der ersten Encounters mit Tanz und Neuwissenschaft und nun dem zweiten mit Tomás Saraceno und Gästen, sind wir sehr gespannt, was die dritte Veranstaltung am 18. Oktober mit sich bringen wird.

- Rosa