»Verhaltensdesign. Bildungs-, Erziehungs- und Regierungsprogramme«

Image Tagung Verhaltensdesign Speakers

Immer wieder beherbergt das Hybrid Lab Veranstaltungen zur interdisziplinären Vernetzung und zum regen Austausch von Vertretern verschiedenster Disziplinen. So auch letztes Jahr im Dezember, als das Thema »Verhaltensdesign« zur Debatte stand.

Am 8. und 9. Dezember brachte die interdisziplinäre Tagung »Verhaltensdesign. Bildungs-, Erziehungs- und Regierungsprogramme« im Hybrid Lab WissenschaftlerInnen aus den Bereichen Literatur-, Kultur-, Medien- und Bildwissenschaften zusammen. Die Verschränkung von Verhaltenslehren und (technologischem) Design erscheint uns als eine drängende Frage unserer Gegenwart, die interdisziplinär und öffentlich verhandelt werden muss.

Vor dem Hintergrund der 1960er und 1970er Jahre und der sogenannten »Kybernetisierung des Humanen« wurde einerseits nach der »langen Dauer« des Verhaltensdesigns gefragt, das sich bereits für die frühe Neuzeit mit Baltasar Graciáns Handorakel als höfische Regierungs- und Erziehungstechnik beschreiben lässt (Jeannie Moser). Andererseits ging es der Tagung um die Frage aktueller Verhaltensdesigns etwa in Form moderner Technologien wie dem Machine Learning (Christoph Engemann) und dazu passender neuer Verhaltensökonomien, die sich nicht einfach mit dem Paradigma neoliberaler Gouvernementalität zur Deckung bringen lassen (Rüdiger Graf). Verhaltensdesign operiert auf der Ebene von Ästhetik, Affekten und Sinneserziehung, was auch anhand multimedialer Environments der 1960er und 1970er Jahre wie dem psychedelischen Imaginarium des Robert McKim (Margarte Pratschke) eindrücklich beschrieben wurde.
Verhaltensdesign, ob in Form des klassischen Bildungsromans (Anja Lemke) oder postmoderner Literatur und ihren Dichtungsmaschinen (Marcus Krause), dem Konzept der modernen Universität (Remigius Bunia), der sowjetischen Reflexologie (Barbara Wurm) oder den Anfängen der Künstlichen Intelligenzforschung an amerikanischen und britischen Forschungseinrichtungen (Benjamin Peters), erprobt immer den Umgang mit Neuem und Unbekanntem. Dabei sucht es Unsicherheit, Nichtwissen und Misstrauen gegenüber dem Verhalten der Systeme oder der anderen Akteure gesellschaftlich und politisch zu stabilisieren und ökonomisch zu verwerten. Die Spannung zwischen schöpferischen, kreativen Aspekten und dem Kontroll- und Manipulationsbegehren des Verhaltensdesigns lässt sich weder historisch noch diskursiv auflösen – so lautet ein Fazit der angeregten Tagungsdiskussionen. Vielmehr sollte sie produktiv gemacht werden, um aktuelle Debatten zur Bildung, Erziehung und zum Regieren zu informieren.


– Christina Vagt und Jeannie Moser

Christina Vagt ist Kultur- und Medienwissenschaftlerin und vertritt seit 2015 die Professur für Wissens- und Kulturgeschichte an der Humboldt-Universität. Zuvor war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Literaturwissenschaft der TU Berlin tätig.

Jeannie Moser ist Literatur- und Kulturwissenschaftlerlin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Literaturwissenschaft an der TU Berlin.